Als ich 1989 in Ost-Berlin die Maueröffnung erlebte, damals war ich eine junge Frau von gerade mal 20 Jahren, gehörte auch ich zu den vielen Tausend Menschen, die sich einmal den sogenannten „Goldenen Westen“ ansehen wollten. Ich vermisste eigentlich nicht wirklich etwas in unserer kleinen DDR, dennoch war ich neugierig die Welt hinter dem sogenannten „Imperialistischen Schutzwall“ einmal selbst in Augenschein zu nehmen.
Auch ich schaute mir also damals West-Berlin an, zusammen mit meiner Freundin Gaby. Und wer sich vielleicht an diese Nacht erinnert, oder vielleicht auch nur an die Fernsehbilder dieser Nacht, der wird wissen, dass es damals drunter und drüber ging. Man lag sich in den Armen und feierte überschwänglich.
Und es dauerte auch nicht lange, bis man sich menschlich etwas näher kam. So stieß ich mir meiner Freundin auf zwei Junge Männer aus West-Berlin, in etwa in unserem Alter, denen wir uns an diesem Abend anschlossen. Mit ihnen zogen wir nicht nur über den Ku`Damm, sondern irgendwann auch durch die vielen kleinen Eckkneipen, für die Berlin seinerzeit so bekannt war.
Wir tranken, feierten und kamen uns auch schließlich näher, so dass wir irgendwann begannen miteinander rumzumachen. Die beiden Jungs waren unserer Meinung nach schon ein bisschen verklemmt, aber dennoch hatten wir unseren Spaß. Ich kann heute gar nicht mehr sagen, auf welchem Hinterhof es schließlich zum Äußersten kam, denn im Westen Berlins kannte ich mich damals noch nicht aus.
Jedenfalls hatten wir eine Menge Spaß, auf diesem besagten Hinterhof und auch heute noch denke ich gerne daran zurück. Auch wenn ich mittlerweile denke, dass es damals ziemlich leichtfertig war, einfach so mit fremden Männern mitzugehen. Aber so waren wir damals, wir aus der DDR. Wir hatten noch diese gewisse Unschuld, die uns nichts böses im Anderen sehen ließ.
Aber vielleicht lag unsere leichtfertige Ausschweifung auch ein bisschen daran, dass seinerzeit sowieso noch niemand an eine Wiedervereinigung und damit an die Deutsche Einheit gedacht hatte. Wir glaubten, es ginge weiter mit der DDR, denn schließlich war die DDR von seiner volkswirtschaftlichen Wirtschaftskraft aus gesehen das führende Land in der Zone des Warschauer Paktes.
Jedenfalls blieben wir noch eine Weile in diesem Berliner Hinterhof, in deren Wohnungen jeder diese Nacht zu verschlafen schien. Wir hatten nicht nur unseren Spaß, sondern uns auch einen ganz persönlichen Eindruck vom sogenannten „Klassenfeind“ machen können. Und dieser Eindruck war nicht der Schlechteste, ganz im Gegenteil.
Und dann veränderte sich die Welt. Die DDR hörte irgendwann auf zu bestehen, es kam die Wiedervereinigung, der Tag der später zum Tag der Deutschen Einheit wurde, und für viele Menschen im Osten Deutschlands begann der Umbruch. Für Viele eine schwere Zeit. Aber auch eine Zeit der Chancen und Möglichkeiten, die ja auch einige von uns beim Schopfe packten.
Und auch wenn vieles in unserer kleinen DDR damals besser und vor allem auch sozial wärmer war, so möchte ich die Uhren doch nicht zurückdrehen. Nicht nur wegen des Hinterhofes, sondern in erster Linie, weil die Menschen in unserem gesamten Lande zusammen gehören. Und wenn man sich heutzutage die vielen zwischenmenschlichen Verbindungen zwischen Ost und West ansieht, wer möchte da noch von einer Teilung sprechen?
In diesem Sinne wünsche ich allen im gesamten vereinigten Lande einen wunderschönen Tag der Deutschen Einheit.
Gaby
Berlin, 03.10.2014